Wrzl-Blog

Trains, Toons & Rock'n'Roll. And more. And in deutsch. Now. Und jetzt.

20.11.14

Wrzl reist: Irgendwo nach Kosovo und zurück und so... (Tag 1: Mit Witz nach Mitrovica)

Es wird wieder Zeit für einen Reisebericht. Als nächster in der Reihe ist eine kleine (nun ja^^) Kosovo-Reise dran. Weil sie dann eben doch nicht so klein ist, gibt's für jeden Tag einen separaten Beitrag. Dem aktuellen Trend folgend mache ich auch gleich einen auf Netflix und veröffentliche alle 6 Tage auf einen Schlag. Dem Binge-Reisebericht-Lesing steht somit nichts mehr im Wege. Prost!

Alle Teile

Tag 1: Mit Witz nach Mitrovica
Tag 2: Peja bejahen
Tag 3: Mitrovica Reloaded
Tag 4: Back to life, wohin auch immer...
Tag 5: Mein Blok
Tag 6: Avalaheiligen

Erst vor einigen Wochen in Bosnien gewesen, gab es bereits ein neuen Anlass, den Balkan bezusuchen™. Der kleine (schon wieder britische) Veranstalter Mercia Charters bot uns eine ganz spezielle Sonderfahrt im Kosovo an. Befahren werden sollten u.a. auch einige der seit vielen Jahren personenverkehrsbefreiten Strecken. Grund genug, mich erneut dort hinunter zu begeben.

Dieses Mal ging es aber nicht im Bus, sondern bequem und stilecht wieder im Zug hinunter. Nach einem durchzechten und rückenbeanspruchenden Tag im railjet von Zürich nach Budapest-Keleti konnte ich mich im... naja... rustikalen aber funktionalen Schlafwagen der ŽS nach Beograd etwas entspannen. Entgegen meiner üblichen Praxis, eine noch nicht befahrene Strecke beim ersten Mal bei Tageslicht zu bereisen, musste ich hier mit dieser Regel brechen. Budapest - Subotica - Beograd gab's also erst mal in Dunkelheit. Die Tageslicht-Variante sollte aber bei der Rückreise begutachtet werden.

Nach einer besser als erwartet durchschlafenen Nacht im Nachtzug Budapest - Beograd wache ich irgendwo vor Beograd auf. Ein erster Blick aus dem Fenster liefert mir ein einladender sein könnendes Wetterchen...



Ankunft in Beograd. Die Verspätung betrug handgestoppte 20 Minuten, immer noch ausreichend für meinen Anschluss zur Weiterfahrt in Richtung Süden. Ebenfalls ausreichend war immer noch der Regen...


 Bevor es auf diesen Anschluss gehen sollte, wurde die Umsteigezeit noch etwas ausgenutzt und am Bahnhof nach einigen vorbeizuckelnden alten Freunden aus Basel Ausschau gehalten... Tatsächlich fuhr dann doch grade Düwag 613 vor meine Linse <3 br="">
 
 


Zwischenzeitlich war der Lovcen-Nachtzug mitsamt montenegrinischer Lok aus Bar angekommen.

Nicht aus Bar kommend, sondern dorthin fahrend war mein Weiterfahrtszug. (ein ähnlich übermüdet klingendes Wort, wie ich es zu diesem Zeitpunkt war) Freundlicherweise stand mir ein gemütliches, deklassiertes 1.-Klasse-Abteil zur Verfügung.

Tempi passati...

Blick "hinten raus". Irgendwo zwischen Beograd und Lapovo. 

Nachfolgend einige Eindrücke aus Lapovo...






Der Zug nach Kraljevo truf™ ein. Ein "Russentriebwagen" der Baureihe 711. Zugegeben, ich mag die Dinger...

Zwischen Lapovo und Kraljevo

Kvas, Kursbuch und Zug. Meine Definition von Lebensgenuss. :->









In den folgenden Tagen sollte mir noch viel Wasser begegnen...

Angekommen in Kraljevo. 

Zeit in Kraljevo, den nebenstehenden Busbahnhof ein wenig zu inspizieren.


Im Bahnhof Kraljevo hing auch ein Abfahrtsplakat von Beograd. Bahnhöfe wie "Schwarzach-St. Veit" oder "Zürich HB" lösen seltsame, weit entfernte Heimatgefühle aus...

Das Zugsangebot in Serbien ist spärlich. Aber an einigen Bahnhöfen, so wie hier in Kraljevo, hat man immerhin veritable Umstiegsknoten geschaffen. Mehrmals am Tag kommen Züge aus allen vier Himmelsrichtungen hier zusammen und vermitteln untereinander Anschlüsse. Ähnliche Knoten konnte ich beispielsweise auch in Subotica und Mala Krsna beobachten. Die Umsteigezeiten sind mit 30-60 Minuten aber oft um einiges großzügiger als in unseren Breitengraden.

Bahnhof Kraljevo von oben

Zwischenzeitlich mein Zug in Richtung Mitrovica Sever eingetroffen. Zu meiner Überraschung handelte es sich um ein Y1-Triebwägelchen aus Schweden - in Serbien als Baureihe 710 unterwegs. Für ein Foto hat es in Kraljevo leider nicht gereicht (sollte dann in Mitrovica nachgeholt werden können). Zu viele Leute vor dem Fahrzeug. Dafür ließen sich ein paar Schilder innerhalb meines "internationalen Inlandszuges" aus dem hohen Norden ablichten. Zum Beispiel jenes einer Notöffnung...

Auf seiner Fahrt in Richtung Kosovo zwängt sich der Zug durch das enge Ibar-Tal hindurch. So landschaftlich reizvoll die ganze Fahrt ist, ordentliche Bildmöglichkeiten gibt es dabei leider nur wenige - das Wetter tat sein übriges...





Y1 innen. Die Bestuhlung ist nicht an die Fensterteilung angepasst und daher für mich erstmal als "böse" zu klassifizieren.



Bahnhof Rudnica. Letzter Bahnhof, bevor es in von Serbien nicht anerkanntes Auslandsgebiet geht... Zuvor wurden von allen Reisenden bereits die Passnummern aufgenommen. Den genauen Sinn dahinter konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Irgendwie wirkt es auf mich wie ein Zugeständnis, dass Serbien diese neue Grenze dahinter nun doch anerkennen würde...

Unser Zug hat zwischenzeitlich die kleine und zugleich erste Haltestelle im Nordkosovo "Jerina stajanište" passiert. Dort wartete bereits ein kosovarisches Polizeiauto auf uns. Die Polizeibeamten stiegen in unseren Zug und sahen sich kurz unsere Pässe an. Kurz darauf konnten wir unsere Fahrt fortsetzen. Das war bislang die kürzeste und entspannteste Passkontrolle, die ich je auf dem Balkan erlebt hatte. O.ô (dass diese wahrscheinlich gar nicht mal so entspannend hätte sein sollen, wurde mir erst später bei der Rückreise klar - dazu später)

Erste Impressionen des Nordkosovo...

vor einem Bahnübergang hüpft eines meiner Heimatherzen hoch. Ein ehemaliger Stadtbus aus Olten wartet die Durchfahrt unseres Zuges ab. Aus dem Zug war leider dennoch nur ein verwaschener Schnellschuss möglich....

Die Landschaft wurde ein wenig weiter und allerorts hingen demonstrativ serbische Fahnen entlang der Straßen und Häuser. Eigentlich sieht in dieser Unruhegegend aber immer noch alles aus, wie in Serbien selbst. Eisenbahn ist die Gleiche, Post auch.
So gesehen auch kein Wunder. Der Nordkosovo wird nach wie vor großmehrheitlich von Serben bewohnt, welche keinem eigenständigen Staat Kosovo angehören wollen und sich entsprechend mit Händen und Füßen dagegen wehren. Faktisch ist der Einfluss Serbiens auf dieses Gebiet nördlich des Ibar-Flusses immer noch groß, während der Kosovo seinerseits kaum Kontrolle darüber hat.




Weiter in Richtung Süden wird die Landschaft steppenhafter




Bahnhof Valač. Das demonstrative Schwärzen der lateinischen Bahnhofsanschrift werte ich mal als Zeichen serbischen Patriotismusses. (ich mag diesen Genitiv...)

Bahnhof Zvečan. Seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovos war hier Endstation für Züge aus Richtung Norden. Erst seit Herbst 2013 fahren die Züge noch einige Kilometer weiter in den nördlich gelegenen Teil der geteilten Stadt Mitrovica.

Zwischendurch nochmal ein Blick ins Innere unseres nicht-internationalen internationalen Schweden-Triebwagens.

Die letzten Kilometer vor Mitrovica. Doch, ich bin irgendwie aufgeregt und nervös...


Ankunft in Mitrovica Sever (= Mitrovica Nord). Dieser improvisierte Endpunkt wurde im Herbst 2013 in Betrieb genommen und stellt seither eine direkte Bahnverbindung des serbisch dominierten, nördlichen Stadtteils an das "serbische Mutterland" her.



Gleich hinter dem Endpunkt führt die eigentliche Bahnstrecke über eine derzeit von jeglichem Verkehr befreite Brücke zum Bahnhof Mitrovica im albanischen Südteil der Stadt.



Auf der Fahrt nach Mitrovica bemerkte ich bereits das Gesicht eines Eisenbahnfreunds aus Deutschland, dem ich bereits auf einer kürzlich gemachten Reise in Tschechien begegnet war. Zusammen wollen wir uns zu Fuß zur berüchtigten Ibarbrücke durchschlagen, von wo aus wir ein Taxi zum Busbahnhof zu benutzen planen.

Die Stimmung hier im serbischen Stadteil scheint mir sonderbar angespannt zu sein. Es gab zwar eigentlich nichts, woran ich diese Stimmung konkret hätte festmachen können. Vielleicht habe ich sie mir auch nur in meinem eigenen Kopf so zusammengezimmert. Aber ich hatte das Gefühl, allenthalben eine eigenartige Aggression zu spüren. Auch wenn ich rational eigentlich keine Angst hatte, das mir irgendetwas zustoßen würde, wollte ich eigentlich nur schnell weg von hier...

Nach ca. 10 Minuten forschen Fußmarschs erreichen wir die Ibarbrücke.

Die Brücke ist auf serbischer Seite seit Jahren für jeglichen Straßenverkehr gesperrt. (auch wenn die Barrikaden zwischenzeitlich im Sommer 2014 wohl endlich entfernt wurden) Zu Fuß kann sie aber ohne große Probleme überquert werden. Auch wenn immer wieder zu hören ist, man solle als Ausländer keinesfalls hier drübermarschieren, so oft sind gegenteilige Stimmen zu vernehmen.
Fakt ist: Die Brücke ist für Fußgänger problemlos passierbar. Es gibt auch keinerlei Ausweiskontrollen o.ä.. Man sollte sich aber der besonderen Situation dieses ethnischen Kulminationspunkts und der immer noch herrschenden Spannungen beider Kulturkreise bewusst sein und sich auch als Ausländer "ruhig und unauffällig" verhalten. Von der albanischen Seite her hilft es auf jeden Fall, auch bei den Tag und Nacht stationierten italienischen KFOR-Truppen anzufragen. Sie werden euch in aller Regel freundlich Auskunft geben, dass die Brücke gefahrlos überquert werden kann. Aber eben: Macht einfach keinen Scheiß da. ;-)

Blick zurück in den serbischen Teil Mitrovicas

Blick auf den albanischen Teil.


Am Busbahnhof Mitrovica angekommen, treffen wir erst mal gähnende Leere an. Erst auf mehrfaches Zubrüllen der Ortsansässigen werden wir auf den Halteort des bereits eingetroffenen Busses nach Prishtina aufmerksam gemacht. In der Abenddämmerung zuckelt der Bus auf einer teilweise noch unasphaltierten (!) Hauptstraße in die Hauptstadt Kosovos. Das albanische hat die serbische Sprache de facto komplett verdrängt. JETZT fühle ich mich erst wirklich in einem "neuen" Land.
Am Busbahnhof angekommen leiste ich mir den Luxus eines weiteren Taxis, das mich für 3 Euro in mein Hotel "oberhalb" des Bahnhofs bringt. "Oberhalb", weil der Bahnhof auf der Karte zwar unglaublich nahe liegt, das Hotel aber hoch oben an einem Berghang errichtet wurde und ich am Schluss doch gute 10 Minuten bis zur Bahnlinie hinunterspazieren musste... Betrieben wird es im Übrigen von einem Kosovaren, der viele Jahre in der Schweiz wohnte - u.a. ausgerechnet in meinem nunmehrigen Nachbarort Oberwil BL. So war das Einchecken auf Schweizerdeutsch keinerlei Problem. Und die Zimmer waren auch hübsch gestaltet...

Nebenstehend gesellt sich zum Hotel auch noch ein "Schweizer" Restaurant, wo mir die Karte einen interessanten Mix aus Schweizer und Balkanischen (jedoch mehrheitlich Schweizer) Gerichten und die Gaststätte einen Blick auf einen "WC"-Aufkleber der SBB (!!!!) bietet... O___ô WCF... äh WTF!!???


>>> Tag 2: Peja bejahen

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