Es reicht. 11 Monate Pause hier müssen genügen. Deswegen schreibe ich wieder mal was. Und ich zeige was. Von Bosnien. Und von letzter Woche.
In der Woche vom 6.-13.4. organisierte der britische
Bahnreiseveranstalter
PTG eine Sonderfahrt kreuz und quer durch
Kroatien, Bosnien und Serbien. Für 2 Tage schloss ich mich dieser
illustren Gruppe an und konnte dadurch einige der leider zahlreichen
eingestellten Bahnstrecken Bosnien-Herzegowinas bereisen. Und ich lernte, dass mein Begriff
des "Streckensammlers" im britischen hochoffiziell "track basher"
genannt wird. I like.^^
Komplettes Album inklusive Textbericht bei Google+
Die lange Anreise nach Bosnien startete in Zürich. Aus Zeit- und
Streckenerkundunsgründen^^ sollte es diesmal in beiden Fällen per Bus
Richtung Balkan und zurück gehen. Die Hinfahrt absolvierte ich mit einem
Bus des Anbieters
Kantić. Deren Busse
waren mir bei mehreren Besichtigungen des Carparkplatzes Sihlquai -
letzten Frühling, als in D die Fernbus-Euphorie ausbrach - immer wieder
aufgefallen. Daneben ist es der einzige Anbieter, der die Achse Schweiz -
Bosnien täglich bedient. Allerdings auch einer, dessen beide Fahrer kein Wort
deutsch sprachen und ich mich mit Hilfe anderer Mitreisender in
Zürich verständlich machen musste, dass ich tatsächlich nach Tuzla mitfahren
wollte...
Auch sonst kommt man sich als einziger nur-deutsch-sprechender in einem Bus voller Bosniaken ziemlich exotisch vor.^^
Warten an Kunstgrenzen
Hinter Milano war ich dann des Nachtens eingeschlafen und hatte auch Slowenien fleißig
verpennt, ehe wir am Grenzübergang Obrežje/Bregana gegen 5 Uhr früh aus
dem Bus geworfen wurden. Passkontrolle! Weil Schengen-Außengrenze. (ich verfluche die ganzen, seit dem Zerfall Jugoslawiens entstandenen "Kunstgrenzen").
Alle
mussten wir erst am slowenischen Grenzhäuschen vorbei, anschließend am
kroatischen, zwecks Passherzeigung. Tatsächlich kann ich mir sehr viel
angenehmeres vorstellen, als in dunkelster Finsterheit geweckt zu werden
und draußen in der Kälte zu warten, bis alle Passagiere kontrolliert
wurden und wir nach 20 Minuten endlich wieder in den Bus durften. Wenn
ich mir vorstelle, dass hier in wenigen Wochen auch 3x täglich der
IC-Bus der DB von München nach Zagreb hier vorbeikommen wird (davon auch
je 1x nachts), werden hier noch viele Fahrgäste ihre Freude haben. Ich
für meinen Teil bevorZUGe *muhaha* da doch die bequeme Passkontrolle im
fahrenden Zug zwischen Dobova und Zagreb.
Irgendwann ging's bei Slavonski- und danach Bosanski Šamac nach Bosnien
hinein. Nochmal alle aus dem Bus zur Passkontrolle. Immerhin waren da
auch die Temperaturen schon etwas angestiegen und die Draußenwarterei
ein wenig erträglicher...
Kurz darauf wurden dann Fahrgäste in
Richtung Sarajevo am Busbahnhof von Bosanski Šamac auf einen anderen Bus
umgeladen. Ich durfte in meinem aus Zürich kommenden Bus sitzen
bleiben.
Ankunft in Tuzla. Etwas verwirrend war, dass der Bus nicht am Busbahnhof (gleich neben dem
Bahnhof) ankam, sondern an einem Abstellplatz ca. 5 Fußminuten westlich
des Busbahnhofs. Ca. 15 Minuten Richtung Stadt spazierend erreichte ich meine Absteige
für die nächsten beiden Tage. Die
Pansion Kipovi. Sehr nett und ziemlich
genau zwischen Bahnhof und Stadtzentrum gelegen (jeweils ungefähr 10-15
Fußminuten). Kein 5-Sterne-Hotel, aber gemütlich, zweckmäßig und mit
balkanisch-herzlichem (im positiven Sinn) Gastwirt.^^
Später am Nachmittag machte ich mich nochmal Richtung Bahnhof Tuzla auf.
Eine derartige Bahntristesse habe ich zugegeben selten erlebt. Der
Bahnhof ist von außen äußerst unscheinbar und eigentlich nur über einen
Seiteneingang im Osten vernünftig zugänglich.
Auf meinen Wegen von und zum Bahnhof kreuzten jede Menge alte Connexxion-Busse aus den Niederlanden sowie Postbusse aus Österreich meinen Weg.
Zurück spazierte ich dann Richtung Zentrum, welches recht hübsch herausgeputzt wurde...
Zugeinfangung in Vinkovci
Am nächsten Tag stand dann der PTG-Sonderzug auf dem Programm.
Eigentlich hätte ich am Morgen schon der Sonderfahrt auf der für den
Personenverkehr nie in Betrieb genommenen Strecke nach Zvornik beiwohnen
wollen. Leider gab's ein (selbstverschuldetes) Missverständnis zwischen
mir und PTG, womit der Zug bereits abgefahren
war, als ich im Bahnhof Tuzla eintraf. Um immerhin noch die Rückfahrt von
Vinkovci nach Tuzla mitnehmen zu können, pilgerte ich am Mittag mit
einem Fernbus nach Zagreb bis Županja (HR) und von dort aus per Taxi
nach Vinkovci.
Unser Sonderzug traf mit über einer Stunde Verspätung in Vinkovci ein.
Davor
hatte ich noch ein interessantes Schwätzchen mit einem jungen
Bahnhofsaufseher auf englisch. Er erzählte mir ein wenig über aktuelle
Vorgänge bei der kroatischen Bahn HŽ, etwa wie er es auch bedauere, dass
der Infrastrukturzustand immer schlechter werde und sich der derzeitige
Chef des Personenverkehrs einen "Scheißdreck" um das Bahnangebot
kümmern würde. Auf meinen Einwand, dass immerhin auf Fahrplanwechsel im
Dezember wieder einige grenzüberschreitende Verbindungen Richtung
Bosnien, Ungarn und Serbien eingeführt werden sollen, meinte er nur, er
glaube nicht daran.
Und ich lernte, dass die Slowenen bei den Kroaten
als äußerst pedantisch gelten und jeden noch so kleinen Verstoß gegen
irgendwelche Vorschriften gleich mit Androhung von Geldbußen belegt
würden. Hingegen hätte man mit Serben und Bosniaken heute eigentlich
wenig Probleme, es wären vor allem Politiker, die irgendwelche Hassfeuer
immer wieder von neuem anstacheln würden. Eine Aussage, die ich im
Dezember 2012 auch von jungen Bosniaken schon so gehört habe.
Im Abendlicht passiert unser Zug den Grenzbahnhof Drenovci...
...und ankunftet in Brčko, von wo aus er in Dunkelheit weiter nach Tuzla (zurück) fährt. "Zum Glück" habe ich die Landschaft in den letzten zwei Tagen bereits zwei Mal per Bus gesehen, weswegen sich mein Gram über die bereits eingetroffene Dunkelheit in Grenzen hält.
Ba(h)novići
Am dritten Tag ging es bei nicht mehr ganz so herrlichem Wetter in den Südwesten, es wurde die Strecke Richtung Banovići inklusive dort anschließender Kohlebahn (760mm-Schmalspurbahn) befahren...
Zwischen Banovići und Turija existiert eine immer noch in fleißigem Doppelspurbetrieb befindliche Kohlebahn. Wir hatten im Rahmen unserer PTG-Reise die exklusive Möglichkeit, auf einigen "Freiluftwagen" sitzend, diese Strecke (wenngleich bei ströhmendstem Regen) zu befahren.
Da ich bis auf die Knochen völlig durchnässt war, verzichtete ich nach Ankunft in Turija auf irgendwelche Bilder dort und machte mich sogleich in einen dunklen - ebenfalls mitgeführten - Güterwagen. Als einzige Sichtmöglichkeit nach außen bot sich ein vergittertes Freiluftfensterchen, das ich mir geschnappt hatte und mich nach Kräften einige Bildchen schießen ließ. Ansonsten hatte die Rückreise doch einigen Deportationscharakter, so wie wir in diesem Wägelchen zusammengepfercht waren... Zurück ging es nach Bosanska Poljana und weiter Richtung Doboj.
Auf dem Weg dorthin gab es einen längeren Zwischenhalt in Petrovo Novo, wo uns einer der raren regulären Personenzüge im bosnischen Netz begegnete.
In Doboj ("Grenzbahnhof" zwischen Bosnischer Föderation und der Republika Srpska) hatte ich eigentlich vor, mich während des Lokwechsels ein wenig den gastronomischem Angebot am Bahnhof zu widmen. Stattdessen nahm ich mir die Zeit für diverse Bilder...^^
Weiter ging es entlang der Bosna in Richtung Sarajevo.
In Doboj...
Weiter der Bosna lang...
Auf Gummis Rappen heimwärts
Am nächsten Tag ging es bereits wieder Richtung Heimat, da am diesen Tag
darauffolgend-nächsten das Büro nach mir schreien sollte.
Sehr
verheißungsvoll war dann diese praktisch perfekt auf mich zugeschnittene
Buslinie von Mostar nach Basel, betrieben von BiHTours (
http://www.expressbus.ch/de/fahrplan-a-preise/bosnien-herzegowina/basel-mostar
), die früh des Morgens um 5 Uhr in Sarajevo abfahren und gegen 21 Uhr
in Basel ankunften™ sollte. So war es mir erlaubt, meine mehrheitlich in
Dunkelheit zurückgelegte Hinfahrt nach Bosnien auch mal bei Tageslicht
zu erleben.
Während erst mal die Erlangung eines gültigen Bustickets
eine regelrechte Herausforderung war (unter ExpressBus.ch ließen sich
seit Ende März keine Fahrten mehr buchen, nach einigem Recherchieren und
herummailen konnte ich direkt über den Betreiber einen Platz
reservieren lassen und das Ticket dann im Bus bezahlen), war diese
Rückfahrt auch sehr... nun ja... balkanisch.
Etwas erstaunt war
ich etwa, wie da um 5 Uhr früh am geplanten Bussteig am Busbahnhof
Sarajevo nur ein Minibus mit Luzerner Kennzeichen auftauchte. "Nun gut",
dachte ich mir, nachdem auch einige andere Fahrgäste mit einschlägigen
Migros- und Denner-Tüten das Gefährt bestiegen, "wird wohl so stimmen".
Jedoch sollte nicht die gesamte Fahrt bis Basel in diesem Kleinbus
stattfinden. Nördlich von Zenica wurden wir dann zum Aussteigen
aufgerufen, 15 Minuten später kam dann der reguläre Bus. Zum Glück war
zwischenzeitlich auch ein deutsch sprechender Fahrer von BiHTours mit an
Bord. Ohne diesen hätte ich mich dann doch etwas aufgeschmissen
gefühlt. Nachfolgend noch einige Eindrücke der landschaftlich zumindest in Slowenien auch vom Busfenster aus sehr reizvollen Strecke...
In der Region rund um Derventa zeigen sich immer noch Spuren des
Krieges. Während an vielen Orten Bosnien hauptsächlich noch
Minen-Warnschilder auf die Vorgänge in den 90ern hinweisen, stehen hier
noch jede Menge Bauruinen und zerstörte (oder nie fertiggestellte?)
Häuser in der Gegend herum.
Slavonski Brod, Sava, Bosanski Brod (v.l.n.r.):
Slowenien... Die Landschaft und die Häuser wirken hier... unglaublich österreichisch. Ich wähne mich irgendwo in der Steiermark.
Nach Ljubljana wird's waldiger...
Allerorten hier in Slowenien sind noch Spuren der Eiskatastrophe des Winters 2013/14 zu sehen. Abrasierte Waldstücke, herumliegendes Gehölz... besonders eindrücklich ist dies rund um die Gegend von Postojna.
Die Landschaft ist wieder flach geworden, und wer sich nun am Arsch der Welt wähnt, hat Recht. Po-Ebene nahe Trieste...
Zwischenhalt in ähm... irgendwo zwischen Trieste und Venezia.
Unser Bus entstammte offensichtlich ursprünglich einem deutschen Reisebusunternehmen. Einige seitliche Aufkleber beim Fahrerplatz zeugen jedenfalls davon.
Halb acht abends, kurz vor Milano wird das Licht allmählich unbrauchbar. In Milano selbst geraten wir dann ins allabendliche Stoßzeitengewusel,
bevor wir dann gegen 20:30 Uhr weiter Richtung Chiasso donnern. Um 23
Uhr trifft unser Bus dann in Luzern ein, wo ich dann erfahre, dass wir erneut umsteigen müssen. *hmpf*
Und hier wird es noch balkanischer, ich und ein weiterer Reisender werden nämlich per Privat-PKW noch nach Basel weiterbefördert. ô.O
Gegen
1 Uhr (also mit 4 Stunden Verspätung - dank der dauernden Pausen)
treffe ich dann hinter dem Bahnhof SBB ein, das letzte Tram ist
gefahren, ich darf die letzten 2 km inkl. meinem Großeinkauf aus Sarajevo zu Fuß zurück legen. Nun denn...
Dennoch - die Reise hat sich gelohnt. Wäre ich noch einen Tag länger bei der illustren PTG-Reisegruppe
dabei gewesen, wäre auch die Linie Sarajevo - Ploče noch dabei gewesen.
Drei Tage später erfahre ich nämlich, dass der Personenverkehr auf der kroatischen Seite in zwei Wochen (am 24.4.) komplett eingestellt werden soll. Mist. Hoffen wir, dass es auch in Zukunft noch eine Möglichkeit gibt, auch diese (landschaftlich wohl ebenfalls traumhafte) Strecke zu befahren.
Labels: ÖPNV, Wrzl reist