Wrzls modernes Leben
Ich sitze im Zug und soeben genoss ich eine Spezialausgabe des Digitalk-Podcasts in welchem die beiden Tages-Anzeiger-Journalisten Roger Zedi und Matthias Schüssler zu Gast beim BlogCamp 3.0 waren. Als eine Art Star-Referent wurde der erste und bislang einzige bloggende Schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger geladen.
Die Tatsache, dass der Schweizer Verkehrs-, Umwelt- und Medienminister von allen sieben Bundesräten nach wie vor der Einzige ist, der sich dem virtuellen Nahkontakt mit dem "gemeinen Fußvolk" stellt, hinterlässt beim urbanen, vernetzten Internetuser doch ein etwas schales Gefühl. So hat auch das neueste Schweizer Fernost-Exportprodukt Bundesrat Samuel Schmid ein gefaketes Facebook-Profil verpasst bekommen. Netznerds und Datenschützer, welche von solch einer Fake-Aktion selbst betroffen wären, würden wohl gleich alle rechtlichen Schritte einleiten. Den guten Sämi lässt diese Sache dagegen vollkommen kalt, er wolle gegen sein geschenkt bekommenes Facebook-Profil nichts unternehmen. Während einige diese Haltung als extrem cool und pragmatisch bezeichnen, ist wohl eher davon auszugehen, dass er schlicht keine Ahnung von Facebook, Web 2.0 und Privatsphäre im Internet allgemein hat. Ergo: Bundesrat Schmid ist nicht netzaffin.
Während ich bislang eher lachend auf Mitmenschen, Medienschaffende, usw. schielte, die sich den lieben langen Tag die Seele aus dem Leib bloggen, in IRC-Channels herumidlen oder in WoW Monster kaputttreten (zugegeben auch ich bin gerne und ausgiebig online, aber oben genannte Zeitvertreibe verstehe ich bis heute nicht), fühle ich mich in meiner neuen Weiterbildungsstätte selbst zum Obernerd degradiert. Da wird mir und meinen AltersgenossInnen beigebracht, wie sie per Hand (!) herausragende Stellenbewerbungsschreiben fabrizieren, wie man bei Firmen am Besten telefonisch die entsprechenden Ansprechpersonen anfragt, wie man in analogen Wörterbüchern englische Begriffe nachschlägt (10x so schnell habe ich den Begriff bei dict.leo.org eingegeben), es hat noch keiner nach der ICQ-Nummer der/des Anderen gefragt, statt iPods sehe ich bisher nur Discmen, immerhin das gute alte Handy ist bei allen allgegenwärtig - auch akkustisch.
Ein weiteres Dilemma: Bis nächste Woche sollen wir eine Französisch-Übung mittels der in unserem Kursbuch (Französisch-Kurs, kein SNCF-Fahrplan leider) beigelegten CD lösen. Mein MP3-Player kann keine CDs abspielen und die Tracks werden offenbar auch nirgends online angeboten, wo ich sie mir im Zug per UMTS auf meinen EeePC streamen könnte. Muss ich diesen Mist also doch tatsächlich ganz oldschool daheim auf meinem DVD-Player abspielen...? o.O
Ich scheine wohl der Einzige unter meinen 16 anderen Mitmenschen zu sein, der mit dem vorherrschenden PC-Manko ein Problem hat. Dabei berieseln mich doch selbst tägliche Printmedien wie 20 Minuten oder Blick am Abend mit ihren hippen Multimedia- und Internetmeldungen, die einem die digitale Revolution vom Himmel beten. Bin ich wirklich schon so abhängig von all dem Kram, oder bin ich schlicht und einfach nicht mehr Real-Life-affin?
Moderne Identitätskrise... ich hasse sie.
Labels: Deschubladisiertes
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